oder: Die andere Welt von Huber, Darga und Lauterbach.
(K. Ernstson, B. Rappenglück, M.A. Rappenglück). – Zu einem neuen Artikel der drei Genannten haben wir einen Kommentar auf unserer www.chiemgau-impakt.de-Seite verfasst haben, der dort angeklickt und gelesen werden kann.
Huber, Darga und Lauterbach, von unseren Vereins-Webseiten bereits hinlänglich bekannt ([1], [2], [3]), haben den Tüttensee-Krater mit dem Chiemgau-Impakt einmal wieder ganz der Eiszeit einverleibt. Eiszeit und Sedimentologie – kein Impakt.
Wir haben den Kommentar sehr kurz gefasst, und wir möchten hier auch gar nicht ausführlicher darauf eingehen (es lohnt nicht), aber es ist vielleicht interessant, einmal ein wenig Ursachenforschung zu betreiben, zumal wir immer wieder, z.B. im Gelände bei unseren geologischen und geophysikalischen Untersuchungen, vielleicht sogar von Ihnen gefragt werden, woher denn bei aller Eindeutigkeit des Chiemgau-Impaktes diese heftige Ablehnung kommt. Ablehnung der wohl größten, mittlerweile international anerkannten geologischen Entdeckung in Bayern der letzten 15 Jahre (neben vielleicht der paläontologischen „Udo“-Ausgrabung im Allgäu, zu der sogar der Ministerpräsident anreiste).
Einen Impakt kann es überall geben.
Anfang der 60er Jahre des 20. Jh. begannen Wissenschaftler, den Impakt als einen beachtenswerten geologischen Prozess auf der Erde und anderen festen Planeten und ihren Monden anzusehen, und Ende der 70er Jahre formulierte Eugene Shoemaker den Satz, dass der Impakt vielleicht der wichtigste geologische Prozess in unserem Planetensystem sei. Zeugnis davon geben aus dieser Zeit z.B. die beiden Bände „Shock Metamorphism of Natural Materials“ von 1966 und „Impact and Explosion Cratering“ von 1977.
Auf der anderen Seite verweigerten viele Geowissenschaftler, insbesondere aus der Geologie, strikt eine Akzeptanz dieser neuen Erkenntnisse und betrachteten Impaktstrukturen als etwas ziemlich Obskures. 1953 erschien in einer angesehenen amerikanischen Zeitschrift ein über 30 Seiten langer Artikel von D. Hager über den Barringer Meteor-Krater in Arizona, in dem dieser, auch von den meisten Geologen anerkannte, Impaktkrater erneut als endogene Struktur verteidigt wird. Für den Krater wird eine „Explosion“ abgelehnt und stattdessen ein grabenartiges Einsinken in Folge von Salzlösung postuliert – eine häufige Beobachtung in der dortigen regionalen Geologie. Die in großen Mengen um den Krater verstreuten Eisenmeteorite führt Hager auf einen jüngeren Meteoritenschauer zurück und betrachtet ihr Auftreten dort als reinen Zufall. – Das Modell der irdischen Lösung sehen wir perfekt kopiert bei den Chiemgauer Regionalgeologen mit der Eiszeit.
Anfang der 80er Jahre postulierte ein Professor der Geologie aus Neuseeland in einem langen Artikel in der Zeitschrift „Die Naturwissenschaften“, dass die Meteorite vom Meteor-Krater keine Meteorite sondern Material aus dem tiefen Erdmantel seien. 1964 schrieb Professor G.C. Amstutz in seinem Sedimentologie-Lehrbuch den bemerkenswerten Satz (übersetzt) „… wie man kürzlich sehen konnte, als der Mythos der Fliegenden Untertassen und der meteoritischen Impaktkrater um die Erde schwappte und selbst die Wissenschaftler überfiel“ (!!!).
Zur selben Zeit fand die bekannte heftige Auseinandersetzung über die Entstehung des Ries-Kraters in Süddeutschland statt, nachdem Shoemaker und Chao in Suevit-Brekzien die Hochdruckmodifikationen des Quarzes, Coesit und Stishovit, nachgewiesen hatten und – nach 100 Jahren einer Deutung als Vulkan – eine Genese als Impaktstruktur für die zutreffende Lösung des sog. Ries-Problems hielten. Die aufs heftigste geäußerten Einwände der Geologen wurden immer wieder vorgetragen, auch noch, als kein Zweifel mehr an der extraterrestrischen Genese bestehen konnte. Noch 1987, auf einem Impakt-Workshop in Parys (Südafrika), steuert der nicht eben unbekannte Prof. Nicolaysen (Entdecker der Rubidium-Strontium-Datierung) einen Beitrag bei, in dem für die Impaktstrukturen Ries und Steinheimer Becken erneut eine endogene, tektonische Entstehung für wahrscheinlich gehalten wird. Auf derselben Tagung gibt es einen Vortrag von einem Geologen, der die wunderschönen Shatter Cones (Kegel!) von der Vredefort-Impaktstruktur in Südafrika auf dem Tisch vor sich aufgebaut hat und erklärt, dass es sich um Pyramiden handelt. Wie das? Ganz einfach: Pyramiden haben, anders als Kegel, ebene Begrenzungsflächen, und Bruch-EBENEN sind in der Geologie ja eher das Normale in der Tektonik. Also: Vredefort kein Impakt. Und: 2003, auf der Tagung der Geological Society of America in Seattle, postulierte R.A. Zimmermann wiederum eine endogene Entstehung des Ries-Kraters durch explosiven Vulkanismus.
Im Spiel Impakt gegen endogene Struktur wird immer wieder und auf der ganzen Welt die regionalgeologische Karte ausgespielt – ohne jeden Wert. Der Impakt auf einer Planetenoberfläche ist ein statistischer Prozess, und ein einschlagendes Projektil kümmert sich nicht im geringsten um die betroffene regionale Geologie (und die regionalen Geologen). Regionale gravimetrische und geomagnetische Anomalien, sich kreuzende tektonische Störungen, regionale Faziesgrenzen, Dome, Becken, Vulkanismus, Salzdiapirismus, Toteislöcher – wohin soll der arme Meteorit fallen, um die Geologen nicht zu verwirren?!
Die Autoren aus Bremen, Siegsdorf und Traunreut und die LfU-Amtsgeologen stehen mit ihrer Impakt-Ablehnung nicht allein. Weltweit gab es wie beim Ries die heftige Ablehnung der Geologen bei den Impaktstrukturen von Sudbury, Vredefort und sehr vielen anderen, Ablehnungen bis auf den heutigen Tag. Amerikanische Geologen erfanden den Begriff des cryptovolcanism (also des verborgenen Vulkanismus) für die vielen, in ihren Augen vulkanischen Explosionskrater (Diatreme) mit den unerhörten Zerstörungen, aber ohne jeglichen Hinweis auf irgendeinen Vulkanismus. Heute sind das alles Meteoritenkrater, wie das Steinheimer Becken, das ebenfalls seinerzeit als kryptovulkanisch angesehen wurde, im Gegensatz zum Ries, wo ja immerhin der Suevit das Vulkangestein war. Ein schwedischer Geologe erzählt, dass er bei seinen Kartierarbeiten zum Quartär Schwedens immer wieder auf impakt-verdächtige Gesteine und Strukturen trifft und das mit den Geologen vom Amt diskutieren möchte, was aber stets abgelehnt wird. Aus Norwegen erfährt man, dass die dort mehrfach existierenden Impaktstrukturen von den Amtsgeologen ignoriert werden. Aus den USA heißt es, dass die alte Idee des Kryptovulkanismus wieder auflebt, um die Existenz vom Meteoritenkratern in Zweifel zu ziehen.
Und es gibt anekdotisch anmutende Geschichten. 1965 wurde die Tiefbohrung Wörnitzostheim im Nördlinger Ries unter der Leitung vom Professor Reich aus München auf einer bekannten starken magnetischen Anomalie abgeteuft, um endgültig zu entscheiden, ob die magnetischen Anomalien im Rieskrater wie bisher angenommen vom tertiären vulkanischen Basalt im Untergrund kommen, oder aber durch eine mächtige Suevit-Schicht des Impaktes im Krater-Inneren erzeugt werden, was Jean Pohl in seiner Dissertation durch Messungen an oberirdischen Suevit-Proben nahegelegt hatte. Als in der Bohrung unter dem Tertiär die ersten Bohrkerne hochkamen und es sich eindeutig um Suevit und nicht Basalt handelte, soll Prof. Reich wortlos in sein Auto gestiegen und gen München gefahren sein.
Warum das alles? Warum ist der Verf. K.E., der seit über 40 Jahren intensiv in die Impaktforschung mit Geologie, Geophysik und Mineralogie eingebunden ist, in dieser Zeit und bis auf den heutigen Tag permanent mit Impakt-Ablehnungen aus der Geologie mit zum Teil absurden, um nicht zu sagen abstrusen Erklärungen für Impakt-Befunde konfrontiert worden?
Das haben sich auch andere Menschen gefragt und nach Erklärungen für diese weit verbreitete Ablehnung gesucht. Eine dieser immer mal wieder artikulierten Versuche einer Erklärung lautet: In der Frühzeit der Menschheitsgeschichte und -entwicklung ist die Erde von einer oder mehreren gigantischen Impakt-Katastrophen heimgesucht worden, und dieses Erlebnis mit den furchtbaren Eindrücken und Angstzuständen der Überlebenden hat sich so stark eingeprägt, dass diese Angst sozusagen genetisch im Menschen verankert wurde.
In einem viel kleineren Maßstab kommen wir damit sogar zum Chiemgau-Impakt und zur bekannten Geschichte vom Festmahl mit einer keltischen Abordnung bei Alexander dem Großen. Zu vorgerückter Stunde soll Alexander dann gefragt haben, was die Kelten denn wohl am meisten in der Welt fürchten würden, in der klaren Erwartung der Antwort: Dich, Herr fürchten wir am meisten. Aber nein: Die Antwort der Kelten war das berühmte „Wir fürchten nichts mehr, als dass uns der Himmel auf den Kopf fällt.“ Hier kann spekuliert werden, ob die Kelten, inmitten deren Stammland ja der Chiemgau liegt, den Schrecken des Chiemgau-Impaktes gemeint haben.
Wenn wir eine genetisch verankerte Angst vorm Impakt bei der Menschheit und damit ja auch vielleicht bei Geologen konstatieren wollen, so hat eine andere Erklärung vermutlich mehr Gewicht. Es ist eine durchwegs zu beobachtende weitest gehende Unkenntnis physikalischer Zusammenhänge bei Geologen (jeder geologische Prozess ist ein physikalischer Prozess!), was bei Impakten mit den extremen Temperaturen, extremen Drücken mit Schock und Entlastung sowie Zeiten, in denen geologische Vorgänge in Sekunden und Minuten ablaufen können, gerade besonders schwerwiegend zum Tragen kommt. Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass dabei geologische Strukturen wie gewaltige Antiklinalen, überkippte Synklinalen, Verwerfungen mit enormen Sprunghöhen, Gräben und Horste, strike-slip mit Transpression und Transtension und vieles mehr auch durch die enormen Kräfte und Bewegungen in extrem kurzer Zeit beim Impakt entstehen können.
Dass aber auch Physik aus der Schulzeit nicht allzu weit hilft, zeigte vor nicht allzu langer Zeit ein deutscher Professor der Geologie und Paläontologie, der eine tektonische Erklärung für die Entstehung der planaren Deformationsstrukturen (PDF) parat hatte, die als Systeme optisch isotroper Lamellen in Quarz bekanntlich bei hohen Schock-Drücken entstehen und als Beweis für Impakt gelten. Druck, so seine Schulzeit-Erinnerung, ist Kraft geteilt durch Fläche. Wenn wir also bei tektonischem Druck die Fläche an einer Kontaktstelle, z.B. an einer Gesteinsspitze, nur hinreichend klein machen, kann der Druck ja hinreichend groß werden und PDF erzeugen. Auf genau solch einer Argumentationslinie kommentieren Huber, Darga und Lauterbach, wenn sie die fast spektakulär zu nennenden Ergebnisse unserer Bodenradar-Messungen über dem Tüttenseekrater-Ringwall mit sedimentären Spaltenfüllungen in der Eiszeit deuten. Sie haben überhaupt nichts verstanden.
Kommen wir zum Anfang zurück und bleiben bei der Eiszeit. Konzedieren wir den Autoren Huber, Darga und Lauterbach, dass sie Physik und Geophysik nicht verstehen und deshalb die Gravimetrie am Tüttensee mit keinem Wort erwähnen und das Bodenradar am See in seiner Bedeutung für den in den Radargrammen deutlich zu erkennenden zeitlichen Ablauf der Krater- und Ringwallbildung physikalisch nicht verstehen. Wir müssen konzedieren, dass für sie die Schock-Physik mit den Impakt beweisenden Schockeffekten am Tüttensee und auch sonst im Krater-Streufeld ein Buch mit sieben Siegeln sein dürfte, da das in ihrem Artikel nicht auftaucht.
Zum absoluten Nichtverstehen der physikalischen (und damit zusammenhängenden geologischen) Impaktkräfte, der Exkavations- und Modifikations-Bewegungen beim Doppeleinschlag in den Chiemsee, gehört der enorme, von uns beschriebene Tsunami. Dieser Tsunami ist beim Impakt nicht, wie es den Autoren aus ihrer sedimentologischen Lehrbuch-Vorstellung vorschwebt, ein kleiner Schwapp von Wasser gewesen, der ein wenig Kreuzschichtung in den Schotterebenen gemacht hat. Beim durch viele Merkmale als real anzusehenden Doppeleinschlag mit der Entstehung eines ca. 900 m x 400 m dimensionierten umwallten Kraters ist eine Exkavation bis in Tiefen von vermutlich mehr als 100 m unter den Chiemsee-Boden hinunter erfolgt, mit einem entsprechenden gewaltigen Massenauswurf, der sich zusammen mit dem ebenfalls ausgeworfenen Chiemsee-Wasser zu einer gewaltigen, am Ufer vermutlich einige Dekameter hohen Tsunami-Walze aus impaktiertem Gestein, Schlamm und Wasser gegen die Ufer bewegt hat. Genau das sieht man heute ohne das in der Schublage gebliebene Sedimentologie-Lehrbuch im Gelände und mit der Geophysik (Bodenradar!) um den Chiemsee herum bis mindestens in die Gegend von Nußdorf. Nur so kann man leicht verstehen, wie es in der aufgelassenen Kiesgrube von Eglsee zu metergroßen, scharfkantig gebrochenen Gesteinsblöcken als Bestandteil einer prominenten Kreuzschichtung eines Diamiktites (!) kommen konnte.
Belassen wir es dabei, haben bei ein wenig Verständnis Nachsicht mit den Autoren, die in ihrem Artikel durchgehend dokumentieren, dass sie Impakt-Geologie, Impakt-Geophysik und Impakt-Mineralogie nicht verstehen und sich deshalb im gesamten Artikel auf die Sedimentologie versteifen. Er tut der international anerkannten Impakt-Genese und ihrer Erforschung nicht weh, die nicht nur von (Zitat) „Laienforschern und Wissenschaftlern“ betrieben wird, sondern sich auf Untersuchungen mit modernster Methodik und gemeinsame Publikationen mit renommierten Wissenschaftlern renommierter Institute und Institutionen stützt.