Verein zur Förderung der Erforschung des südostbayerischen Meteoritenkrater-Streufeldes e.V.

Chiemgau-Impakt: Die russische Akademie der Wissenschaften zu Besuch im Chiemgau

Liebe Vereinsmitglieder,

im Rahmen der seit etwa zwei Jahren existierenden offiziellen Kooperation zwischen dem Laboratorium für Diamant-Mineralogie im geologischen Institut der russischen Akademie der Wissenschaften in Syktyvkar und den Impakt-Forschern der CIRT-Gruppe weilte Dr. Tatyana Shumilova, renommierte Direktorin dieses Laboratoriums, für eine Woche im Oktober im Chiemgau zu gemeinsamen Geländearbeiten, Arbeiten am Mikroskop, Diskussionen und Vorbereitungen von neuen gemeinsamen Publikationen.

Dass Dr. Shumilova sozusagen als Verkörperung der wissenschaftlichen Forschung und von wissenschaftlichem Arbeiten zusammen mit den auswärtigen Forschern vom CIRT im schönen Hotel „Forelle“ in Siegsdorf vis-à-vis vom Mammut-Museum residierte, sei hier nur am Rande erwähnt. Dazu muss man verstehen, dass der Museums-Direktor Dr. Robert Darga sich beim Chiemgau-Impakt  bisher und jahrelang nur durch eine beispiellose Gegnerschaft hervorgetan, bis heute aber nicht eine einzige Untersuchung geschweige denn eine eigene wissenschaftliche Veröffentlichung zum Thema vorgelegt hat.

Nachfolgend sollen Sie in Text und Bild ein wenig an den gemeinsamen wissenschaftlichen Aktivitäten in dieser Woche teilhaben. Zum Vergrößern Bilder anklicken.

1. Tag. – Anreise von Dr. Shumilova; Flughafen München; auf der Fahrt nach Siegsdorf Einführung in das Bayerische, Land und Leute, durch Diplom-Geologen Andreas Neumair vom CIRT.

2. Tag – Besuch im Impakt-Museum Grabenstätt – Geologischer Rundwanderweg um den Tüttensee-Krater mit der Diskussion der unsinnigen Vorstellung der Toteis-Verfechter zur Genese sowie der genauso unsinnigen Bohrung der Geologen des LfU, die mangels jeglicher Kenntnis von Impaktvorgängen diese Bohrung an einer denkbar ungeeigneten Stelle niedergebracht und prompt die grundsätzlich falschen Schlussfolgerungen gezogen hatten. – Geländearbeit mit Probennahme an den „schwarzen Schichten“ von Eglsee und Egerer. Diskussion über Bildungsmöglichkeiten dieser offensichtlich beim Impakt entstandenen tiefer gelegenen Bodenschicht. Abends: Offizielle Begrüßung

3. Tag. – Die Katastrophenschicht der Auswurfmassen (Ejekta) des Tüttensee-Kraters am Mühlbach. Zu den an die 70 bereits existieren Baggerschürfen um den Tüttensee herum wurden drei weitere Gruben ausgehoben, die wie erwartet die bunte Brekzienschicht mit den bekannten Komponenten auffuhren. Diskussion mit Dr. Shumilova zur Geologie der Impaktzeit sowie zur Landschaft und ihrer Besiedelung und zu Fragen der Datierung des Impaktes: z.B. archäologische Objekte in der Katastrophenschicht. – Planung eines Projektes zur einer besseren Datierung des Impaktes mit der Radiokarbon-Methode an einer ganzen Torf-Sequenz mit einem eingelagerten Horizont der Katastrophenschicht. Mehrere Torfproben jeweils unterhalb und oberhalb dieses Horizontes sowie Proben, falls vorhanden, von organischem Material aus der Schicht werden demnächst von einem Labor in Moskau analysiert und datiert.

tatyana mühlbach

CIRT-Shumilova-Chiemgau-Impakt-Schurf

4. Tag. – Das Gelände bei Tyrlaching mit dem großen etwa 150 m messenden kreisrunden Bergham-Krater. – Vorführung und Praktizieren der komplexen und komplizierten Bodenanalyse mit Gewinnung von Eisensilizid-Partikeln (Xifengit, Gupeiit u.a.). Trotz der schlechten Bedingungen mit sehr feuchten Bodenschichten konnte eine Reihe von Eisensilizid-Partikeln geborgen und Dr. Shumilova als mit größter Wahrscheinlichkeit aus dem Kosmos stammendes meteoritisches Material überreicht werden. Große Freude! – Besuch einer Kiesgrube bei Obing zur Demonstration der ganz normalen Schichtlagerung mit dem üblichen stark gerundeten Geröllmaterial alpiner Gesteine. Diskussion der unsinnigen Ansicht von lokalen und regionalen Geologen, dass die vielen bei den Kratern und in den Auswurfmassen angetroffen extrem deformierten und in situ scharfkantig zerbrochenen Gerölle ihre Deformationen bereits mit den Gletscherflüssen aus den Alpen mitgebracht haben. Wir verzichten darauf, hier den passenden Kommentar von Dr. Shumilova zu diesen Geologen und ihrer Ansicht zu wiederholen.

bergham krater

5. Tag. Über Rottau in die ersten Alpenberge auf über 1600 m Höhe; Geologie: Kalkalpin, Verkarstung, Gesteins-Deformationen, Pilze und Flora der Bergwelt. Probennahme an Fundplätzen für Eisensilizide und Impakt-Fallout in Form von winzigsten Mikrotektiten im Boden.

mikrotektite

6. Tag. Fahrt in den nordöstlichen Teil der Streuellipse; Emmerting und Marktl. – Krater #004 und der große 50 m messende halbkreisrunde Halbkrater #24, der beim Impakt in das Innufer hineingestanzt wurde. Diskussion der ungewöhnlichen Befunde im Krater #004, Modelle zu einem Airburst-Krater; Probennahme durch Dr. Shumilova.

Halbkrater-Marktl-Chiemgau-Impakt

7./8./9. Tag. Gemeinsame Exkursion ins Nördlinger Ries und ins Steinheimer Becken. Besuch des Rieskrater-Museums mit der momentanen Sonderausstellung zum Tscheljabinsk-Meteoritenfall; Begrüßung durch den neuen Direktor des Museums Prof. Hölzl.

Rieskrater-Museum-Tscheljabinsk-CIRT

nördlingen unser zwey

Aufschlüsse im Ries-Krater:

A. Geschockte Kristallinbrekzie auf der Marienhöhe in Nördlingen (nebst Einladung in den früheren Brauereikeller in 10 m Tiefe durch den Inhaber des renommierten Restaurants „Meyers Keller“. Auf der Marienhöhe im damaligen Brauereigasthof „Meyers Keller“ hat Prof. Ernstson vom CIRT monatelang im Rahmen der Geländearbeiten (Diplomarbeit, Doktorarbeit) und seiner ersten Bekanntschaft mit Impaktkratern und Impaktphänomenen gewohnt.)

meyers keller nördlingen

B. Wengenhausen im Bereich des inneren Walls, verschiedene Impakt-Einheiten des kristallinen Grundgebirges, Kristallinbrekzien, dem Impakt folgende Ablagerungen des Riessees mit Fossilien. Vorkommen von Shatter Cones.

C. Limberg: Kristallin-Grube im Impakt-Schollenmosik zwischen innerem und äußerem Wall; Probennahme Dr. Shumilova. Steinpilze und Rotkappen.

D. Holheim, Kalksteinbruch, Auswurfmassen (Bunte Brekzie) über parautochthonem Malm-Kalkstein unmittelbar am Kraterrand.

E. Historischer Suevit-Steinbruch Altebürg. Probenahme. – Ofnet-Höhlen und römische Villa Rustica.

F. Abstecher in den 35 km entfernten Meteoritenkrater des Steinheimer Beckens.

 

G. Großer Steinbruch Ronheim: mächtige Bunte Brekzie-Ejekta über anstehendem Malm-Kalkstein. Schliffflächen, typische Impakt-Schockspallation in stark deformierten Kalkkonkretionen aus den Jura-Tonsteinen der Bunten Brekzie. Vergleich mit der Schock-Spallation in vielen Geröllen des Chiemgau-Impaktes. Funde der sogenannten Ries-Belemniten.

H. Großer Kalkstein-Bruch bei Wemding unmittelbar am Kraterrand. Komplexe Deformationen ganzer Schichtkomplexe beim Impakt – gebirgstektonisch unmöglich.

I. Ehemaliger Suevitsteinbruch Otting. Probennahme Dr. Shumilova (mit Blick auf die Mikrodiamanten im Ries-Suevit).

J. Malm-Kalksteinbruch von Gundelsheim; Bunte Brekzie-Ejekta mit großflächig freigelegten Schliffflächen auf den Kalksteinen.

gundelsheim schliff

K. Letzter Aufschluss: Suevitsteinbruch Aumühle. Probennahme, Lagerung des Suevits auf Bunter Brekzie, mögliche Entgasungskanäle.

10. Tag. Rückflug Dr. Shumilova mit – so meinen wir – vielen schönen Eindrücken von Bayern, vielen neuen Erkenntnissen (dabei beeindruckt vom wissenschaftlichen „Management“ innerhalb der Gruppe der CIRT-Forscher und deren Zusammenarbeit mit externen Forschern, insbesondere von Zeiss und Oxford Instruments) und vielen neuen Proben vor allen des Chiemgau-Materials mit den neuen, bisher unbekannten Kohlenstoff-Modifikationen.