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Anfang Oktober 2004 ging eine Nachricht um die Welt: Ein Forscherteam glaubte Hinweise gefunden zu haben, dass etwa 2500 Jahre vor heute, in keltischer Zeit, über dem südöstlichen Bayern ein Planetoidenstück geringer Dichte oder eines Kometenkerns niedergegangen sei und dabei ein ca. 60 x 30 km großes Feld von Kratern (in einer Größe von 2 m bis zu ca. 600 m) erzeugt habe. In den vergangenen Jahren führte das Chiemgau Impact Research Team (CIRT), unterstützt durch internationale Institute, aber auch durch Firmen wie beispielsweise Carl ZEISS, Oberkochen, intensive interdisziplinäre Forschungskampagnen durch, in denen unter anderem Geologie, Geophysik, Limnologie, Archäologie, Mineralogie, Speleologie, Astronomie und historische Wissenschaften zusammengeführt wurden. Seit 2009 ist der Tüttensee in einer internationalen Datenbank der Impakte als bestätigt aufgeführt, wie das Nördlinger Ries und das Steinheimer Becken. Die Ergebnisse zeigen, dass sich im Gebiet zwischen Altötting, dem Chiemsee und dem Alpenrand eine große Katastrophe abgespielt haben muss. Funde von exotischem Material, durch höchste Drücke, große Temperaturen und Einwirkung von Säure, extrem beanspruchte und veränderte Gesteine, seltsame Kohlenstoffkügelchen, Nanodiamanten, magnetische Anomalien, Bodenverdichtungen, ungewöhnliche Störungen der archäologischen Stratigrafie und viele andere Auffälligkeiten können zueinander durch die Hypothese eines nacheiszeitlichen Impakts stimmig erklärt werden, der erhebliche regionale und wohl auch gewisse überregionale Wirkungen hervorgerufen haben muss. Seit einigen Jahren geht die internationale Holocene Impact Working Group intensiv der Frage nach, ob und wie postglaziale Impakte Einfluss auf menschliche Kulturen hatten. Bisher jedoch konnte dazu keine befriedigende Antwort gegeben werden, da entweder die Funde nicht den allgemein anerkannten Impakt-Kriterien genügten, Impaktschichten nicht mit archäologisch belegte Kulturen verbunden waren oder Impakte nur sekundär aus Klimaschwankungen, biologischen Zäsuren, archäologischen Fehlschichten oder mythologischer Tradition rekonstruiert wurden. Der Chiemgau-Impakt bietet Gelegenheit zu einer außergewöhnlichen Fallstudie, die einen Beitrag zur Beantwortung der Frage nach dem Vorhandensein und den Auswirkungen holozäner Impakte liefert: Altersbestimmungen an einer Katastrophenschicht zwischen archäologischen Kulturschichten im Umkreis von Chieming am Chiemsee in den Jahren 2007 und 2008, im Zusammenhang mit archäologisch-stratigrafischen sowie radiometrischen Datierungen im Umfeld des größten Kraters (Tüttensee) lassen darauf schließen, dass das Ereignis zwischen ca. 800 und 300 v. Chr., mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Zeit um den Beginn des 5. Jh. v. Chr., auftrat. Eine neue Bewertung der berühmten antiken Überlieferung des Mythos von Phaeton legt nahe, dass sich darin die verstörende Erfahrung des Chiemgau-Impakts durch Kulturen jener Zeit widerspiegelt. Dr. Michael A. Rappenglück M.A., ein Mitarbeiter des Teams CIRT, stellt den aktuellen (2009) Kenntnisstand der Forschung vor, geht auf die besondere Bedeutung des Chiemgau Impakts ein und fragt danach, wie wahrscheinlich ein ähnliches Ereignis in der Zukunft auftreten könnte. |